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Roberto de Mattei
(Professor Dr. Roberto de Mattei ist Direktor des Centro Culturale Lepanto Via Tribuna Tor de’ Specchi 18a, Rom)
Das Wesen des Maastrichter Vertrages ist nicht wirtschaftlich sondern politisch. Seine Seele ist zweideutig und widersprüchlich, sein Ausgang unvermeidlich Anarchie und Chaos. Das wird dann ganz klar, wenn man einen der Hauptpunkte betrachtet, nämlich die Gewährung einer europäischen Bürgerschaft, rechtlich und politisch absurd, mit verheerenden Folgen.
Unter den Rechten der sogenannten "Bürger der Union", sind die wichtigsten jene, die im Artikel 8 B, Paragraph 2 und 3 vorgesehen sind, wonach jeder Bürger der Union, der in einem der Mitgliedstaaten ansässig ist, dessen Staatsbürger er nicht ist, das Recht hat, bei den Gemeindewahlen oder auch bei den Wahlen zum europäischen Parlament zu wählen oder selbst gewählt zu werden, genauso wie die Staatsbürger dieses Staates. Der Begriff der Staatsbürgerschaft hat immer jenen der Souveränität vorausgesetzt. Die erwähnten Artikel 8 und 8 B, die die europäische Staatsbürgerschaft einrichten, sprechen zwar wiederholt von Mitgliedsstaaten der Union, jedoch nehmen sie nie Bezug auf einen europäischen Staat. Übrigens wird im Vertrag die Europäische Union nicht wie ein Staat vorgestellt, sondern als eine einfache internationale Organisation.
Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen einem Staat und einer internationalen Organisation besteht - wie der namhafte Rechtswissenschaftler Riccardo Monaco feststellt - darin, dass "die juristische Verfassheit des Staates gegenüber den anderen Staaten unmittelbar mit der Souveränität seiner Befugnisse zusammenhängt, während eine internationale Organisation nicht durch den Besitz von Hoheitsrechten ausgezeichnet ist".
Der Begriff der Bürgerschaft ist untrennbar mit dem Begriff der Souveränität verbunden. Es gibt unendlich viele Organisationen in der Welt, aber "Bürger" kann man nur dort sein, wo Souveränitätsrechte bestehen.
Ziel der EU: ein Nichtstaat
Wenn es folglich Sinn macht, von "Bürgern eines Mitgliedstaates der Union" zu sprechen, so macht es keinen Sinn, von "Bürgern der Union" zu sprechen, denn Bürger kann man nur sein als Untertan eines mit Souveränität ausgestatteten Gefüges, und die europäische Union ist weder ein Staat noch eine souveräne Organisation.
Der Maastrichter Vertrag hält auf der einen Seite die Nationalstaaten mit den entsprechenden Staatsbürgerschaften aufrecht, auf der anderen Seite führt er in geradem Widerspruch dazu, eine neue europäische Staatsbürgerschaft ein. Mit dieser Einführung enteignet der Maastrichter Vertrag die Nationalstaaten ihrer politischen Souveränität, ohne jedoch diese Souveränität, einem neuen Staat oder einer höheren souveränen Einheit einzuräumen.
Die Europäische Union, wie sie in Maastricht vorgesehen ist, löst die europäischen Staaten auf, ohne einen neuen Staat zu errichten. Das Ziel ist ein Nichtstaat. Der europäische Kontinent läuft Gefahr, in eine Art verwirrte Genossenschaft verwandelt zu werden, als Vorstufe für eine noch verwirrtere universale Republik, nach den Bestrebungen der Utopisten aller Jahrhunderte.
Jeder Mitgliedstaat kann seine Staatsbürgerschaft jedem einzelnen verleihen, und ab diesem Augenblick kann dieser bei den Gemeinde- und den europäischen Wahlen jedes anderen Mitgliedstaates wählen und kandidieren.
Die Schweiz von "Kolonialvölkern" überschwemmt?
Der Zuwanderungsdruck nach Europa aus dem Süden und aus dem Osten verstärkt sich immer mehr. Viele europäische Staaten hatten Kolonien, sei es im islamischen Maghreb, in Schwarzafrika oder im Mittleren und Fernen Osten. Andere pflegen besondere Beziehungen mit Ländern jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhanges. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass ein x-beliebiger europäischer Staat sich dazu entscheidet, den auf seinem Gebiet lebenden Ausländern sofort die Staatsbürgerschaft zu gewähren. Dann müssen alle anderen Mitgliedsstaaten zusehen, wie Millionen von Menschen, die eben noch sogenannte "Extra-comunitari" waren, das heisst, aus ausser-europäischen Ländern kamen, nun aber europäische Bürger in jeder Hinsicht wurden, sich in den ihnen wichtigsten Städten unseres Kontinentes konzentrieren, und mit ihrem Wahlrecht das ganze politische, kulturelle und religiöse Leben umstülpen können.
Kommentar:
Die fremden Konflikte werden bereits in Deutschland und in der Schweiz offen und gewalttätig ausgetragen.
Einen EU-Beitritt anstreben kann nur, wer in Idealen schwelgt und die wohl absichtlich verwirrlichen, unklaren, ja widersprüchlichen Texte von internationalen Abkommen nicht richtig gelesen hat, oder die Schweiz bewusst auflösen und in ausländischen Staatsgebilden integrieren will.
E. R. Memopress 1/96
Gute Zukunft
Es sind nicht die Quantitäten, sondern die Qualitäten, welche die Welt verändern. Darin liegt das Ungeahnte, Unvorhersehbare. Heute machen uns jedoch die gesteigerten Quantitäten Angst. Die Quantitätssprünge versetzen in Sorge und Angst. Eigentlich verändern werden sie jedoch die Welt nicht, sondern sie erfüllen nur, was angefangen ist. Sie stellen nur Konsequenzen dar. Das Rettende sind die Qualitätssprünge. Sie sind in der Zukunft total verborgen. Es gibt Evolutionssprünge, mit denen neue Qualitäten in die Geschichte eintreten. Letztlich richten sich Glaube und Hoffnung auf das Erscheinen solcher neuer Existenzen. In der biblischen Weltschau wird bewusst damit gerechnet. Es geht vom Alten Testament über das neue Testament sogar bis zum Islam hin eine menschliche Überzeugung, dass zu gegebener, erfüllter Zeit der Himmel auf Erden eingreift - rettend und richtend, erlösend und heilend. Das Neue und Kommende wird personalisiert in Gestalten der Geschichte. Wo wirklich Neues in die Geschichte eintritt, ist das Koordinatensystem selbst betroffen und verändert. Alles erhält ein neues Gesicht. Jede Bedeutung wird anders, das Wichtige unwichtig, bisher Übersehenes wichtig. Wir müssen zählen auf einen guten Qualitätssprung in Zukunft und diesen herbeisehnen. Er verändert letzte Ziele und verschiebt die Wertsetzungen. Schön ist, was Davids Psalmen sagen und beten lassen:
Auf Gott will ich hoffen und mich nicht fürchten. Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, festen Geist. Verwirf mich nicht von Deinem Angesicht und nimm Deinen Heiligen Geist nicht von mir.
Max Schoch in "Herausforderung Europa", VfU "Vereinigung für freies Unternehmertum", Schachenstr. 13, CH-8633 Wolfhausen