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Euro-Krise: Deutsche und französische Nationalökonomen fordern die Auflösung der Währungsunion

Bruno Bandulet

Bernd Lucke, Gründer der Alternative für Deutschland (AfD), stand vorigen Sonntag im Zentrum des deutschen Medieninteresses. Fünf Tage zuvor sorgte der Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg bereits für Aufsehen in der französischen Presse: Führende deutsche und französische Euro-Gegner trafen sich zum dritten Mal, diesmal in Paris, um über die europäische Währungskrise zu beraten und um Alternativen zum gescheiterten Euro-Experiment auszuarbeiten.

 

In der gemeinsamen Abschlußerklärung wurde den europäischen Eliten vorgeworfen, daß sie sich ihrer Verantwortung für das „reale Europa“ feige entzögen und das Zerstörungswerk des Euro fortsetzten. Jeder Tag, an dem nicht gehandelt werde, mache die Lösung der Krise schwieriger und teurer. Gefordert wurde, keine Kredite mehr zur „Rettung“ des Euro zu gewähren und ein neues europäisches Währungssystem zu errichten, das auf der Realwirtschaft, auf flexiblen Wechselkursen und nationalen Währungen aufbaut.

Übereinstimmung wurde auch darüber erzielt, daß nach der Wiedereinführung nationaler Währungen der Euro als Rechnungseinheit bzw. als Parallelwährung bestehen bleiben soll und daß das schwierige Problem der Altschulden gelöst werden muß. „Die Gründung des Euro war ein schwerer Irrtum. Der Fehler kann nicht dadurch behoben werden, daß man eine neue und künstliche Wirtschaftsordnung schafft, sondern nur dadurch, daß man das System beseitigt“, so das deutsch-französische Kommuniqué.

In seinem Vortrag nannte der Ökonom Wilhelm Nölling, der früher dem Zentralbankrat der Bundesbank angehörte, den Euro das „größte Unglück der Währungsgeschichte“. Die Euro-Krise bestehe nicht erst seit 2007, sondern seit den neunziger Jahren, als es den späteren Euro-Mitgliedern schon vor Einführung der Einheitswährung nicht gelungen sei, die versprochene Konvergenz ihrer Volkswirtschaften zu erreichen. „Das Euro-Abenteuer wird zu Ende gehen, entweder kontrolliert oder in einer Katastrophe“, so der langjährige Hamburger SPD-Senator.

Nölling fungierte in Paris als Sprecher jener deutschen Euro-Gegner, deren dritte Verfassungsbeschwerde im vergangenen Jahr von Karlsruhe lediglich im Eilverfahren behandelt wurde – das Urteil in der Hauptsache steht noch aus. Es wird wohl, wie der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider vermutete, bis nach der Bundestagswahl im September verzögert werden.

Schachtschneider erinnerte an die erste, 1992 von Manfred Brunner eingereichte Verfassungsklage gegen den Maastricht-Vertrag. Damals habe das Verfassungsgericht geurteilt, daß Deutschland nur einer Stabilitätsgemeinschaft angehören dürfe und andernfalls berechtigt sei, als „Ultima ratio“ die Währungsunion wieder zu verlassen. Joachim Starbatty befaßte sich mit der verheerenden Bilanz von zwei Jahren Euro-Rettung. In Südeuropa würden massenweise Arbeitsplätze vernichtet, die Verschuldung steige weiter, Griechenland stehe im sechsten Jahr der Rezession: „Das Hauptproblem, nämlich die fehlende Wettbewerbsfähigkeit, ist nicht gelöst, die europäische Peripherie muß abwerten können.“

Ein Thema, dem sich die französischen Referenten besonders widmeten, war die prekäre wirtschaftliche Lage in Frankreich und der Schaden, den der Euro angerichtet hat. Als der Maastricht-Vertrag 1991 ausgehandelt wurde, so der Ökonom Jean-Luc Gréau, belief sich die französische Staatsschuld auf nur 35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Jetzt bewege sie sich Richtung 100 Prozent. „Frankreich läuft den Defiziten hinterher, wir bekommen sie nicht in den Griff.“ Und die Kredite an Südeuropa müßten hinzuaddiert werden. „Frankreich benötigt zehn bis 15 Jahre, um aus der Sackgasse zu kommen“, so Gréau, „Frankreich braucht Sauerstoff und den Umbau des Währungssystems.“

Bleibt die Frage, wie sich die Rückkehr zu nationalen Währungen und damit zu realistischen Wechselkursen (als Alternative zur Transferunion) auf die Euro-Volkswirtschaften auswirken würde. Dazu konnte das im März gegründete Institut Pomone (Pour une Organisation Monétaire Nouvelle en Europe) eine Reihe von Berechnungen vorlegen. Mit dem Institut, das die Pariser Konferenz organisiert hat, haben sich die führenden französischen Euro-Gegner eine wissenschaftliche Plattform geschaffen, Persönlichkeiten wie Jean-Pierre Gérard, Gérard Lafay, Roland Hureaux, Michel Robatel und Alain Cotta. Bestritten wurde von den französischen Referenten keineswegs, daß jede Abwertung Inflationsrisiken birgt und einen Verlust an Kaufkraft mit sich bringt. Dafür verbessert sich die Handelsbilanz, die Wirtschaft wächst wieder, die Arbeitslosigkeit sinkt.

Eines der ökonometrischen Modelle, die in Paris präsentiert wurden, unterstellt eine Abwertung der gesamten Euro-Zone gegenüber dem US-Dollar um 16 Prozent und Abwertungen innerhalb der Zone, die bei Griechenland mit 45 Prozent am stärksten ausfiele. Deutschland hingegen würde mit einem Plus von 16 Prozent für die „Neue D-Mark“ am deutlichsten aufwerten.

Als Resultat gebe es einen Wachstumsschub innerhalb von 18 Monaten in Südeuropa, der in Griechenland mit einem Anstieg des BIP um 16,3 Prozent am höchsten ausfiele. In Deutschland hingegen würde die Wirtschaft stagnieren oder sogar um 2,8 Prozent schrumpfen, falls die Neuordnung der Euro-Zone nicht von einer Abwertung zum Dollar begleitet wird. Die Demontage der „fast kommunistischen Währung“ (Wilhelm Hankel) wäre machbar und keine Katastrophe – und würde vor allem Südeuropa aus der Sackgasse führen. Und den deutschen Steuerzahlern blieben die enormen Kosten einer dauerhaften Transferunion erspart.


Bruno Bandulet ist Mitglied der deutsch-französischen Arbeitsgruppe zur Reform des Währungssystems in Europa.

Deutsch-französische Arbeitsgruppe

Ob der Euro wirklich der Preis für die französische Zustimmung zur deutschen Einheit war, ist heiß umstritten. Daß die Währungsunion in Wahrheit auch für Frankreich mehr Nachteile als Vorteile bringt, dämmert aber immer mehr Ökonomen der Grande Nation. Im Oktober 2011 trafen sich daher erstmals deutsche und französische Wirtschaftsexperten in Lyon, um die Euro-Krise zu analysieren und um über Alternativen zu beraten (JF 42/11). Ein halbes Jahr später setzten sie sich wieder zusammen, diesmal in Düsseldorf (JF 17/12). Das Ergebnis war ein Appell an die Regierungen und Völker der EU, den Euro zu beenden und durch eine bessere Währungsordnung für Europa zu ersetzen. Das jüngste Treffen fand vorige Woche in Paris statt. Nicht nur Wirtschaftsblätter, sondern auch die beiden führenden französischen Tageszeitungen – Le Figaro und Le Monde – berichteten ausführlich über das Treffen, über die Teilnahme von Bernd Lucke und seine neue Partei, die Alternative für Deutschland (AfD).

L‘institut Pomone, 23, rue Saint-Ferdinand, 75017 Paris, Region Île-de-France



© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19.04.2013

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