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Schaffhauser AZ, 22.11.1969 (gekürzt)

Sich einseitig für bestimmte Tugenden oder gegen eine der mannigfachen Gefahren einzusetzen sei wenig fruchtbar, schreibt Paul Pfister in seiner im Bircher-Brenner-Verlag Erlenbach erschienenen Schrift "Um ein freieres Menschentum": Der Mensch müsse als Ganzes gesehen werden. Besonders die erlebnishungrige Jugend soll nicht in erster Linie verzichten, sondern vor allem in der Familie gute körperliche und geistige Nahrung erhalten, die wirklich sättige und zu positiver Tätigkeit ansporne. Entscheidende Bedeutung komme der grossen Gruppe zu, welche bestrebt sei, in allem Mass zu halten.

Verzicht auf einem Gebiet führt bekanntlich leicht in andere Bindungen, wenn die Ursache einer Sucht – die meist in einem unerfüllten Leben – in einem Mangel – zu suchen ist – nicht behoben wird. Nicht nur Tabletten, Alkohol und Nikotin, sondern auch Kaffee, Tee, Kokain, Chinin, Zucker, Schundliteratur, Sexualität, Ehre, Besitz und Macht können ja den Menschen ebenfalls in einen verderblichen Bann ziehen. Weder Wein getrunken, noch Fleisch gegessen, noch geraucht hat ja bekanntlich auch der grösste Kriminelle der Neuzeit: Hitler.

Wäre es – um Einseitigkeiten entgegen zu wirken – nicht dringend nötig, wenn die verschiedenen in Ihrem Patronatskomitee vertretenen Organisationen auch in Zukunft zusammenarbeiten und insbesondere auch den vermehrten Kontakt zwischen Kirche, Schule und Elternhaus fördern würden?

Grossen Einfluss vermögen jedoch nur Vorbilder auszuüben, oder genauer gesagt, Leitbilder, die als solche akzeptiert werden. Trotz aller Auflehnung gegen das Establishment geniesst der Arzt im allgemeinen eine grosse Achtung. Leider gewöhnen sich aber viele Patienten gerade im Spital oder bei ambulanter Behandlung durch den Arzt ohne Not Schlafpillen und andere Tabletten an, wie dies auch aus einem kürzlichen Interview einer Journalistin mit Frau Dr. Tschudy, der Gattin von Bundesrat Tschudy, hervorging. Weil die Universitäten heute die Natur- und Volksheilkunde völlig ignorieren, kann der Ärzteschaft kein Vorwurf gemacht werden. Schon viele Patienten sind aber Organ schädigender Gifte müde, durch Heilkräuter, physikalische Behandlung, oder einfach durch Umstellung auf vollwertige Nahrung nach kurzer Zeit geheilt worden!

Wäre es darum nicht verdienstvoll, wenn sich Ihr Komitee – dem auch namhafte Politiker angehören – für einen Lehrstuhl für Naturheilkunde einsetzen würde?

Treu der Devise des weisen griechischen Arztes Hippokrates "Eure Nahrungsmittel sollen Heilmittel und eure Heilmittel sollen Nahrungsmittel sein", hat Dr. Bircher-Benner durch sein positives Wirken Weltruf erlangt. Leider ist dieser Grundsatz vielerorts nicht sehr hoch im Kurs. So beschlagnahmte beispielsweise die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel IKS – der Direktor ist Jurist – eine Broschüre, in der die heilenden Eigenschaften des Honigs beschrieben war mit der Begründung, dass es unerlaubt sei, einem Nahrungsmittel heilende Eigenschaften zuzuschreiben. Honig sei ein gewöhnliches Nahrungsmittel. Wenn es sich erweisen sollte, dass derselbe heilende Eigenschaften besitze, so müsse dessen Verkauf auf die Apotheken beschränkt bleiben... Nun weisen aber bedeutende Forscher nicht nur bei Honig, sondern bei vielen Gemüsen, Früchten, Trauben, Beeren und deren Säften heilende, oft Mängel behebende Wirkung nach.

Wäre es nicht dringend nötig, auch über die gesundheitsfördernden Eigenschaften vollwertiger, natürlicher Nahrungsmittel aufzuklären und unvernünftigen Verordnungen und Interpretationen entgegenzutreten? Sind Sie auch dazu bereit?

Für Ihre bisherigen und künftigen Bemühungen danke ich Ihnen wohl im Namen vieler von Herzen und grüsse Sie mit vorzüglicher Hochachtung.

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