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Von der Kraft die aus der Stille kommt

(Das Buch von Carl Hilty ist im Herder-Verlag vergriffen.)

Vorwort von Veronica Carstens

Wir alle suchen das Glück.
Wir suchen es im Vergnügen, im Lebensgenuss, im beruflichen Erfolg, in privaten Interessen, in Kunst, Musik, in der Schönheit der Natur, in sportlichen Leistungen und in vielerlei anderen Bereichen.
Und dennoch entzieht es sich uns immer wieder.
Zutiefst fühlen wir aber, dass das Glück irgendwo sein muss - und so suchen wir weiter.
Wir kommen schliesslich zu der Erkenntnis, dass unser Leben vor allem einen Sinn braucht, und wir fragen uns, welcher Sinn mag unserem eigenen Leben innewohnen? Können wir ihn nicht erkennen, so versuchen wir, dem Leben einen Sinn zu geben. Auch das will uns oft nicht recht gelingen.
Die älteste Erfahrung der Menschheit lautet: Ohne Gott schaffst du es nicht. Du jagst und arbeitest, du liebst und tust Gutes - Glück, Furchtlosigkeit, Gelassenheit ziehen in dein Herz nur ein, wenn du alles - aber auch alles - von Gott erwartest. Er schenkt dir, was dir zukommt. Du kannst es nicht erzwingen.
Verlässt du dich aber auf ihn, erkennst du überall eine Aufgabe, die er nur dir - ganz allein dir - aufgegeben hat. Wenn sie dir zu schwer erscheint, verlass dich auf ihn, er schenkt dir die Kraft, sie zu erfüllen. Du bist nie allein, du brauchst nichts zu fürchten, nicht einmal den Tod - den vielleicht am allerwenigsten.
Wie ist es anders zu erklären, dass gläubige Menschen selbst in Gefahr, Gefangenschaft und äusserster Not noch ein helles Antlitz haben, dass sie rückblickend die schwersten Jahre ihres Lebens als die kostbarsten ansehen, weil sie die Nähe und den Beistand Gottes, seine tröstende Kraft erfahren hatten.
Wie ihn aber finden? Fällt es uns einfach zu oder genügt es, in die Kirche zu gehen? Beides kann möglich sein. Aber manchmal warten wir vergeblich. Wir müssen uns auf die Suche machen. Es heisst nicht umsonst in der Bibel: „Suchet, so werdet ihr finden.“
Wo aber suchen? Die Bibel ist das Fundament des christlichen Glaubens. Sie sollten wir immer wieder lesen. Erst bei wiederholtem Lesen erkennen wir ihre ganze Tiefe, ihren Reichtum, ihre Wahrheit, ihren Trost und ihre Führung für unser Leben.
Wenn wir dann tastend versuchen, ihren Ratschlägen zu folgen, ihre Ansprüche zu erfüllen, aber auch ihren Trost annehmen, merken wir plötzlich, dass das Leben leichter wird, dass es Glanz und inneren Reichtum bekommt. Wir werden sogar zutiefst glücklich - einerlei, wo wir stehen, wie unser Lebensraum beschaffen ist.
Manchem aber erscheint die Lektüre der Bibel spröde, sie gewinnen keinen Zugang zu ihr. Sie suchen einen Vermittler. Ein solcher Vermittler und Freund ist Carl Hilty, Schweizer Staatsrechtslehrer (1833-1909) und Laienseelsorger, der im Laufe seines Lebens zahlreiche ethisch-religiöse Schriften verfasst hat. Sie veralten nicht, wie alles wahrhaft Grosse, und so findet jede Generation immer wieder neuen Zugang zu ihm.

Einleitung von Werner Braselmann

Wer nachts wach ist und wer allein auf dem Weg ist und dabei sein Herz dem Müssigen einräumt, der versündigt sich an seiner Seele.

Rabbi Chanina ben Chaninai

 

 

Wer war Carl Hilty?

Beginnen wir mit dem, was die Lexika über ihn zu sagen wissen: Carl Hilty wurde am 28. Februar 1833 in Werdenberg, Kanton St. Gallen, geboren, er starb am 12. Oktober 1909 in Clarens bei Montreux. Er studierte Jura in Göttingen, Heidelberg, London und Paris und wurde in Heidelberg zum Doktor der Rechte promoviert. Dann wirkte er von 1855 bis 1878 in Chur als Rechtsanwalt. Ab 1874 lehrte er als Professor in Bern zunächst schweizerisches Staatsrecht, dann auch allgemeines Staats- und Völkerrecht. Seit 1862 gehörte er zum Justizstab der Eidgenössischen Armee und wurde 1882 Oberauditor, d.h. Oberster Richter der Armee. Von 1890 bis zu seinem Tod war er Mitglied des Schweizer Nationalrats, also Parlamentarier. Noch in seinem Todesjahr wurde er als einer der Vertreter der Schweiz an den Internationalen Schiedsgerichtshof in Den Haag berufen.
Carl Hilty war nicht nur praktizierender und lehrender Jurist, er hat viele bedeutende Bücher und Artikel geschrieben. Von 1886 bis zu seinem Tod war er Herausgeber des „Politischen Jahrbuchs der Schweizer Eidgenossenschaft“. Ihn interessierten aber nicht nur historische und juristische Fachfragen; er war ein engagierter Reformer: er beteiligte sich an der Diskussion um den Frieden (das gab es damals schon), kämpfte für das Frauenwahlrecht und schlug eine scharfe Klinge gegen die Wiedereinführung des Todesstrafe in der Schweiz und gegen den Alkoholmissbrauch.

Dieser gelehrte Jurist war zugleich ein hochgebildeter Mann, ein echter Mensch seines Jahrhunderts, der nicht nur ein Könner in seinem Fach war, sondern der Dante, Goethe, Nietzsche und Darwin studierte, dazu die Mystiker des Mittelalters; Jung-Stilling, Tersteegen, den älteren Blumhardt. Und immer wieder las er die Bibel ...
Und je mehr er sich mit jenen Zeitgenossen auseinandersetzte, die Rationalismus und Materialismus priesen und predigten, desto mehr erschrak er vor der Leere, die das alles in ihm bewirkte. 1863 notierte er: „Nun habe ich den Ankergrund aller Freude und Hoffnung gefunden: das fröhliche Vertrauen zu Christus und seiner Lehre.“
Diese Schriften fanden wohl darum eine so grosse Leserschaft, weil man spürte, dass hier jemand sprach, der das alles persönlich durchlitten und erkämpft hatte: „Es ist kein Gedanke dabei, der nicht auf eigenem Nachdenken und eigener Erfahrung im Leben beruht.“

Carl Hilty hat um die Not schlafloser Nächte gewusst. Er rät allen, die unter Schlaflosigkeit leiden, ihre Gedanken nicht ziel- und willenlos treiben zu lassen, sondern ihnen zu befehlen, wohin sie sich wenden sollen. Dabei will er helfen. Darum steht über jedem Abschnitt dieses Buches ein Datum, das mahnen will: Lass es bei diesem einen Gedanken, konzentriere dich darauf und denke ihm nach! Dann können auch schlaflose Nächte Gewinn bringen und weiterführen. Dann kann die Stille einer schlaflosen Nacht zur Kraftquelle werden.

1. Januar

Suche beständig in grossen Gedanken zu leben und das Kleinliche zu verachten, das führt, im allgemeinen gesprochen, am leichtesten über die vielen Beschwerden und Kümmernisse des Lebens hinweg.
Der grösste und zugleich allgemein fasslichste Gedanke ist der Glaube an Gott, wie Christus ihn gelehrt hat.
Es gibt aber auch, seit jeher bis heute, ein verkümmertes, zu eng geartetes Christentum, das dem Wesen und der Lehre Christi nicht oder nicht ganz entspricht und schon viele Menschen von ihr entfernt hat.
Wenn dein Lebensglück dir am Herzen liegt, so lass dir das Christentum durch keine Theologie oder Kirchlichkeit erklären, sondern suche es selber an der Quelle, in den Evangelien, und auch in diesen vorzugsweise in den eigenen Worten Christi auf, die ihresgleichen in keiner anderen Weisheit haben:

Und alles, was ihr im Gebet gläubig erbittet, werdet ihr empfangen. Matthäus 21,22

2. Januar

Wenn unser Christentum uns nicht pflichtgetreuer für die Aufgaben des täglichen Lebens und Berufes, uneigennütziger in Geldsachen, gleichgültiger gegen Reichtum und Ehre, freundlicher gegen alle Menschen, freudiger im Gemüt und hoffnungsvoller für die Zukunft macht, dann ist es noch nicht das rechte Christentum Christi. Das Wort „Christentum“ muss erklärt werden. Sobald man irgend etwas anderes darunter versteht als ein Eingehen in die Art und Denkweise Christi, so ist es ein falscher Begriff, und wenn jemand überall herumfragt, was wohl eigentlich das Christentum sei, so ist es bereits ziemlich wahrscheinlich, dass er das wirkliche nicht will.
Die meisten haben leider heutzutage so viel und so lange mit der Frage in sich zu schaffen, ob sie überhaupt das Christentum oder irgendeine andere Denkart oder Philosophie annehmen wollen; und wenn sie sich einmal für das Christentum, meistens aus äusseren Gründen, entschieden haben, welcher „Richtung“ oder „Auffassung“ desselben sie den Vorzug geben wollen, dann bleibt ihnen nicht mehr viel Zeit übrig, darüber ernstlich und gänzlich unbefangen von dem Geräusch aller Meinungen und Systeme des Tages nachzudenken, was es eigentlich ist und was es in dem Menschen, der ihm angehören will, erfordert.

3. Januar

Siehe, ich habe dich geläutert, doch nicht als Silber, habe dich geprüft im Ofen des Elends. Jessaja 48,10

Man kann mitunter wählen, wie stark und sogar auf welche Weise man geläutert sein will. Nur darüber muss man sich stets klar sein, dass das reine Gold nur aus einer kräftigen und öfter wiederholten Läuterung hervorgeht.
Krankheit, richtig aufgefasst und benutzt, ist das leichteste Mittel dazu.

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