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Wochen-Express 18.4.1969, (Auszüge)
Sehr geehrter Herr Dutli
Sie schreiben: "Es ist unverkennbar, dass gerade in unserer modernen Gesellschaft überall nach neuen geistigen Bindungen gesucht wird; mit der blossen Wiederholung von Bibeltexten ist es jedoch nicht mehr getan. Die Menschen sind auf der Suche nach Ordnungsprinzipien, die sich auch im Alltag als tauglich erweisen..." Vor kurzer Zeit suchte ich nach einem Spruch für den Korridor, der alle, die ein- und ausgehen, ansprechen soll, ob Freunde, meine Frau und mich, oder die Kinder die sich gegenwärtig so gerne mit allerlei "Chilbi-Ringen" und Ketten schmücken. Ich versuchte es unter anderen mit den Sprüchen Salomos und fand gleich im ersten Kapitel folgende Verse: "Wer weise ist, der hört zu und bessert sich; und wer verständig ist, der lasse sich raten: Des Herrn Furcht ist Anfang der Erkenntnis. Die Ruchlosen verachten Weisheit und Zucht. Mein Kind, gehorche der Zucht deines Vaters und verlass nicht das Gebot deiner Mutter. Denn solches ist ein schöner Schmuck deinem Haupt und eine Kette an deinem Halse." Ist diese Erkenntnis Salomos heute für den Alltag untauglich? Oder sind die mannigfachen Anweisungen der Apostel über die Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen heute überholt? Wo gibt es eine klarere und bessere Norm für das Zusammenleben als in den Zehn Geboten, und wie anders müsste es auf der Welt aussehen, wenn das Gebot Christi mehr befolgt würde, welches lautet: "Liebe Gott von ganzem Herzen... (und damit sicher auch die Naturgesetze) und den Nächsten wie dich selbst." Der katholische Denker Dietrich von Hildebrand schreibt in seinem neusten Buch, das ich während den Ferien in "Stunden der Wahrheit" auch als Reformierter mit Interesse gelesen habe, über Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, folgendes: "Die Frage, ob etwas 'dynamisch' ist, scheint heute wichtiger zu sein, als ob es wahr und gut ist... Wie verschieden auch die äusseren Lebensbedingungen sein mögen, so bleibt doch der Mensch grundsätzlich immer derselbe. Der Stand der Technik, der Medizin und des gesellschaftlichen Lebens ist heute ein ganz anderer als im Mittelalter, aber die Quellen des Glücks auf Erden bleiben dieselben: Liebe, Wahrheit, Ehre, Familie, die Schönheit der Natur und Kunst, schöpferische Tätigkeit.
Der Mensch ändert sich nicht in seinem Wesen, er bleibt denselben sittlichen Gefahren ausgesetzt; er ist zu allen Zeiten gleich erlösungsbedürftig...; für den Menschen aller Zeiten gelten die Worte des heiligen Augustinus: 'Du hast uns für Dich geschaffen, o Herr, und unser Herz ist unruhig, bis es ruhe in Dir!' Im Epilog heisst es ferner: "Wenn, wie Hans Urs von Balthasar ausdrückt, der moderne Mensch (wahrlich eine mythische Grösse) zum Massstab dafür erhoben wird, was das Wort Gottes sagen und nicht sagen darf, dann ist die Religion offenbar am Ende... Denen, die behaupten, die Zeit für Kontemplation sei eindeutig vorüber und wer 'romantisch' zum Himmel aufblicke, sehe nichts als rauchende Kamine, da wir heute Gott nur inmitten der Aktivitäten finden können, antwortet Urs von Balthasar, dass derjenige, der nicht auf Gott hört, der Welt nichts zu sagen hat."
Was die im "Wochen-Express" – Artikel erwähnten Zweifler unter den Geistlichen anbetrifft, schreibt Dietrich von Hildebrand in seinem vom Christiania – Verlag Stein am Rhein vertriebenen Buch, das bezeichnenderweise den Titel "Das trojanische Pferd in der Stadt Gottes" trägt: "Es ist traurig genug, wenn Menschen ihren Glauben verlieren und ihre Kirche verlassen. Aber es ist viel schlimmer, wenn diejenigen, die in Wirklichkeit ihren Glauben verloren haben, in der Kirche bleiben und – wie Termiten – versuchen, den christlichen Glauben durch ihre Behauptung auszuhöhlen, dass sie der göttlichen Offenbarung die Interpretation geben, die zum 'modernen Menschen' passe." In einem Anhang kommt der Schriftsteller alsdann auf Teilhard de Chardin, einen besonders bedeutenden "falschen Propheten" zu sprechen, welchem Abschnitt ich noch folgende Sätze entnehme: "Teilhard ist kein Biologe; er hat weder die Kenntnisse noch den Geist der Biologen... Er ignoriert systematisch die Embryologie... (Naturwissenschafter Jean Rostand).
Wenn ich als Reformierter mit Hildebrand auch nicht in allen Details einig gehen kann, so kann ich dieses Buch allen Zweiflern, die auch auf der Suche nach neuen Ordnungsprinzipien und Stunden der Wahrheit sind, bestens empfehlen.